
Wie einige von euch mit bekommen haben, machte ich vor kurzen den Schritt, stationär in eine psychiatrische Klinik zu gehen. Tja, was soll ich sagen, ich bin wieder draußen und das nicht weil ich mich dort daneben benommen habe, sondern aus freien Stücken. In diesem Bericht möchte ich einmal den Frust ablassen, welcher mich dazu brachte diese Option überhaupt zu wählen. Denn eigentlich bin ich kein Mensch der schnell die Flinte ins Korn wirft.
Wer mir ab und an lauscht wird wissen das ich mit depressiven Phasen, Schizophrenie, Agoraphobie, Sozialphobie, Berühungsphobie und Panikattacken ordentlich zu kämpfen habe. Ich war bis dahin in ambulanter Behandlung, welche den Besuch meiner Psychiaterin, wöchentliche Besuche meiner Psychologin, Ergotherapie und einer Skillgruppe bestand. Damit kam ich einigermaßen gut zurecht, wobei ich sagen muss das mir die Skillgruppe auf Grund ihrer Größe schon sehr unangenehm war. Schon vor Monaten wurde daher geplant das ich einen stationären Aufenthalt machen sollte. Gründe genug, gab es ja.
Am Mittwoch den 13.06.2018 war es dann soweit und mein stationärer Aufenthalt begann. Panisch, müde und total verkrampft kam ich auf meiner Station an und wurde zum Glück recht freundlich willkommen geheißen. Zu dem Zeitpunkt saßen alle anderen Patienten im Aufenthaltsraum, weshalb meine Ankunft natürlich für neugierige Blicke sorgte. Unangenehm, aber da musste ich durch. Man zeigte mir mein Zimmer, welches ich mir mit einer anderen Patientin teilte und teilte mir mit, welche Dinge heute noch anstanden. Das Gespräch mit der Schwester war ok, das Gespräch mit der Psychologin und dem Oberarzt, machten mich regelrecht fertig. Zwischendurch merkte ich dann schon das mein Körper dem ganzen nicht so wirklich gewachsen war. Denn der Gedanke an mein Zuhause, meine Kater usw. sorgten dafür das mir bereits zu Anfang die Tränen flossen und ich mich in eine Art Schockstarre hüllte. Dies wurde dann nur noch schlimmer, als ich sah wo wir essen sollten, denn der kleine Essenssaal machte meine eh schon angespannte Situation nur noch schlimmer, da Angst vor menschlichen Kontakt.
Schon vor meinem Aufenthalt kündigte ich an, an meinem Laptop arbeiten zu wollen, da das schreiben von Rezensionen, Beiträgen usw. für mich eine Art Therapie ist. Als ich dies dann ansprach, kam nur der Satz “ Sie sollen sich auf ihre Therapie konzentrieren und nicht im Internet herumsurfen“. Das saß, allerdings sah ich auch ein, das die Therapie Vorrang habe. Doch hier fingen dann die Probleme an, denn wie soll ich mich auf eine Therapie konzentrieren, wenn ich so gut wie keine habe? An manchen Tagen hatte ich nur 2 Therapien, welche teilweise schon 11 Uhr ihr Ende fanden. Immer nur lesen ist zwar ein traumhaftes Gefühl, aber keine Rezension darüber schreiben zu können, regte mich schon auf. Dies zeigte sich auch bei meinen Mitpatienten welche zwischen den langen Pausen der Therapien meist auf den Sofas des Aufenthaltsraum saßen und auf ihren Handys rumtippten. Was will man auch tun?
Kommen wir noch einmal zu den Therapien, denn deren Setzung im Wochenplan, ergab für mich einfach keinen Sinn. Montag und Dienstag Ergotherapie, super dann haben wir den kreativen Teil ja schon hinter uns. Kreatives Arbeiten fiel bei mir leider aus, da die Therapeutin Urlaub hatte. Soziales Kompetenztraining fand ich ganz gut, da es uns lernen sollte wie wir mit anderen Menschen umgehen können bzw. sollen. Nur hatte ich hier das Problem das wir in einem kleinen Raum zu acht saßen, was bei mir sofort Panik auslöste und ich mir aus Verzweiflung den Arm aufkratzte. Erst dachte ich, das weder die Patienten noch die Therapeutin es gesehen hätten, doch dann stellte sich heraus das es Patienten gesehen hatten, aber anscheinend keine Grund sahen mich auf zu halten. Da zeigt, diese Art der Therapie ja wirklich Wirkung *hust*. Besonders ärgerlich empfand ich den Freitag, denn hier hatten wir einmal vor dem Mittag und einmal nach dem Mittag Entspannungstherapie, was so an sich null Sinn macht, zumal wir dies erst Donnerstag hatten. Was soll ich mit 3 mal Entspannung an 2 Tagen, zumal ich Montag bis Mittwoch keine hätte.
Ein weiteres Ärgernis war eine Therapie welche sich „Lesen als angenehme Beschäftigung“ nannte. Für mich natürlich toll, aber für andere? Die Klinik meinte anscheinend erwachsenen Personen (wir waren alle über 18) vor zu schreiben, das sie sich für eine Stunde in der Woche der Literatur hingeben sollen. Tut mir leid aber wir waren alle in einem Alter, wo wir selber entscheiden können ob wir lesen möchten oder nicht. Ich durfte dann diese Art der Therapie erleben und war gerade zu entsetzt. Es wurde ein Sherlock Holmes-Hörspiel angemacht und das wars. Was diese Therapie brachte? 2 Personen lauschten dem Hörspiel, 8 schliefen und 10 stöpselten sich ihre eigenen Kopfhörer in die Ohren um das zu hören was sie wollten und das war nunmal Musik. Das gleiche versuchte man übrigens mit Gesellschaftsspielen, mit ähnlichen Erfolg.
Die wohl größte Überraschung ergab sich dann am Freitag Abend, wo mir die gerade schichthabende Schwester mitteilte, das ich ab morgen meine 100mg Filmtablette nicht mehr bekommen würde. Ich hielt dies für einen Fehler und man sagte mir, ich solle Montag zur Visite ansprechen. Ok, denn dieses Medikament sorgte dafür das ich schnell einschlief und nicht noch ewig meinen Gedanken nach jagte. Der Montag kam und damit auch mein erstes Einzelgespräch bei meiner Psychologin auf der Station. Hier wurde mir dann unglaubliches unterbreitet. Der Plan der Ärzte sei es mich innerhalb von 14 Tagen komplett trocken zu legen. Alle 3 Tage sollte meine Dosis reduziert werden. Ich dachte ich höre nicht richtig. Im ambulanten Bereich erarbeitete ich mir gerade den Medikamentenaufbau und eine Reduzierung um 150 mg erfolgte bereits über die letzten Monate, aber mir innerhalb von 14 Tagen alles zu entziehen was ich seit 4 Jahren nahm, ging einfach nicht.
Hier merkte ich dann langsam das ich in dieser Klinik, nicht die Therapie finden würde, welche ich brauchen würde. Als mir dann die Psychologin sagte das ich hier ja freiwillig bin und ich jederzeit abbrechen dürfte, wuchs dieser Gedanke sehr schnell und veranlasste mich schließlich dazu den Aufenthalt hier abzubrechen. Noch am selben Tag durfte ich die Klinik verlassen.
Trotzdem gab es noch ein Problem. Durch die wenn auch kurze Wegnahme eines meiner Medikamente war mein Körper mittlerweile im Entzug. Da ich bereits einmal einen kalten Entzug versuchte, konnte ich die Symptome sehr schnell zu ordnen. Sagen wir es so wie es war, mein Körper war ein Wrack. Ich schwitze ohne Ende, fror aber gleichzeitig, meine Mutter musste mich führen da ich keinen klaren Gedanken fassen konnte und daher teilweise total orientierungslos herum lief und nicht auf meine Umgebung achtete. Bei einer 4 spurigen Straße übrigens keine gute Idee. Bis Donnerstag brauchte ich viel Ruhe, da mein Körper sich erst wieder daran gewöhnen musste, das er die entzogene Dosis nun wieder bekam.
Am 27.06.2018 hatte ich dann wieder ein Gespräch mit meiner Psychiaterin, welche ich bereits seit 2 Jahren besuche und erzählte ihr was ich erlebt habe. Dies bezog sich zum einen auf die Medikamentenwegnahme als auch die Therapien selbst. Dem geschockten Gesicht meiner Psychiaterin konnte ich entnehmen, das dies auch für sie ein Unding war. Sie wird nun ein Gespräch mit den Verantwortlichen suchen, da gerade die schnelle Absetzung meiner Medikamente bei mir ernsthafte körperliche Probleme ausgelöst hätte.
Mein erster stationärer Aufenthalt seit langen entpuppte sich als vollkommenen Fehlschlag. Besonders traurig empfand ich es, das man nicht auf meine Phobien einging und mich daher sehr oft missverstanden fühlte. Ich hätte mir eine individuellere Therapie gewünscht, da auf meiner Station jeder den gleichen Plan hatte. Außer der Aufteilung in 2 Gruppen, gab es keine Unterschiedene bei den Therapien. Ich sprach zudem mit Patienten, welche mir sagten, das man bisher nicht auf ihr Problem eingegangen sei. Vielleicht sollte man das Therapiekonzept einmal überarbeiten und dabei erfragen, was die Patienten wirklich für Therapien wollen. Denn nicht alles was als Therapie ausgegeben wird, ist auch eine.

Du hast meinen Respekt, dass du so offen mit deinem Erlebnis umgehst. Ich finde es absolut verantwortungslos wie sie da mit dir und auch den anderen Patienten umgingen / umgehen.
Ich finde es klasse, dass du den Mut gefunden hast, deinen Weg weiter zu gehen und diese Therapie abzubrechen.
Ich wünsche mir so sehr, dass du es irgendwann die Hilfe bekommst, die dir weiterhilft.
Fühle dich ganz doll gedrückt.
Das du den Schritt gegangen bist und dem nicht weiterhingegeben hast fordert viel und darauf solltest du stolz sein! ebenso hast du mehr als meinen vollsten Respekt innerhalb deines Beitrages so offen zu sein!
Ich wünsche dir ganz viel Kraft und lasse eine Umarmung da!
Ich habe ähnliches erlebt.
Hallo Gabi,
hätte ich es nicht selbst erlebt, hätte ich es vielleicht auch für einen Scherz gehalten. Ich musste es einfach los werden, da ich zeigen wollte, das wir in Sachen psychische Erkrankungen noch eine ganze Menge lernen müssen.
Ja, die ambulante Behandlung ist um vieles angenehmer, zumal ich hier bereits Therapeuten habe, die mich und meine Probleme kennen. Ich werde jetzt in Ruhe meine Medikamente abbauen und meine Therapien fortsetzen, da diese mir eindeutig mehr helfen.
Danke für deinen lieben Kommentar.
Viele liebe Grüße, Anja
Das klingt ja wie ein schlechter Scherz!
Wie gut, dass Du da raus bist und es nicht bis zum Ende durchgezogen hast. Wenn da nichts ist, was Du als positiv und hilfreich empfunden hast, aber jede Menge Dinge, die man sehr wohl kritisieren kann, ist es wirklich das Beste, abzubrechen. Was für eine niederschmetternde Erfahrung ….
Danke, dass Du von diesem Erlebnis erzählt hast. Ich hoffe, die ambulante Behandlung baut Dich wieder auf und Du kannst diesen Klinikaufenthalt schnell vergessen.
LG Gabi